Einführung Vernissage André Bless, Rosmarie Vogt-Rippmann / im Museum zu Allerheiligen Schaffhausen
5.12.2004
Liebe Anwesende
Licht wurde Anfang des 20. Jahrhunderts als künstlerisches Medium entdeckt und in unterschiedlichster Weise eingesetzt: beispielsweise im Licht-Raum-Modulator (1922-30) von Laslo Moholy-Nagy, in den Lichträumen von James Turell, in den Beleuchtungen von Michel Verjux.
André Bless ist einer der wenigen Schweizer Künstler, der ausschliesslich mit dem Medium Licht arbeitet. Äusserst experimentierfreudig und auf sehr vielseitige Art und Weise, versucht er es in seinen Werken zu materialisieren, die sinnlichen Qualitäten des Lichts nicht nur sichtbar, sondern auch körperlich erlebbar zu machen.
In den raumbezogenen Interventionen wird das Licht durch dessen präzisen Einsatz zum Mittel, um Wahrnehmung zu thematisieren, Fragen nach der Funktion architektonischer Elemente und nach dem Verhältnis von Wirklichkeit und Transformation zu stellen.
So transferiert André Bless in der Arbeit Relief mittels Projektion ein Rokoko-Ornament der Stukkatur-Decke der Gerberstube, welche im Fachbereich Geschichte zu sehen ist, in das Foyer vor dem Wechselsaal, das aus den 30er Jahren stammt.
Oder er verwandelt in der Arbeit Transient Lights (Butterfly Version II) das Videokabinett in einen Industrieraum mit grossen Fensterfronten. Beeinflusst durch die wechselnden Lichtverhältnisse und den Ton, der die Projektion begleitet, gibt man sich der Illusion hin, beispielsweise in einem Atelier zu stehen, durch dessen Fenster die Scheinwerfer und der Lärm der vorbeifahrenden Autos dringt. In Wirklichkeit handelt es sich allerdings um die animierte Videoaufnahme eines Raumes, der nur als Miniatur-Modell existiert und der wie ein Bild in den Ausstellungs¬raum projiziert wird.
Hier im Wechselsaal zieht unter dem Titel Orbit ein grünes Flugobjekt, das leise Signale aussendet, auf einer unsichtbaren Umlaufbahn seine Kreise. Zuerst eine zerbrochene Eierschale, wird es später zu einer Raumsonde, die auf den ersten Blick den echten High-Tech-Gebilden im Weltraum täuschend ähnlich sieht. Bei längerer Betrachtung entpuppt sich die Sonde jedoch als „Gebastel“ aus Klebband, Schere, Schreibzeug, Plastik-Geodreieck und verweist mit einem Augenzwinkern auf die unterschiedlichen Arbeitsweise von André Bless und Rosmarie Vogt-Rippmann – die eine abhängig von technischen Geräten wie Digitalkamera, Computer und Beamer, die andere geprägt von einfachen, von Hand be- und verarbeiteten Materialien wie Holz oder Aluminium.
Neben der narrativen Komponente – der witzigen Erzählung einer Art Evolutions¬geschichte vom Urknall (dem Ei) bis zur Zivilisation (der Raumsonde) – stellt die Projektion eine Variation eines für André Bless wichtigen Themas dar: Das Abtasten von Architektur durch einen Lichtkegel oder das Verändern von Räumen und deren Wahrnehmung: Entsprechend der Funktion von Raumsonden scheint André Bless‘ „Bastel-Sonde“ Informationen über die räumlichen Verhältnisse des Wechselsaals zu sammeln und über Funk an uns zu übermitteln – wobei die Informationen durchaus paradox sind. Einerseits wird die Wand als architektonische Begrenzung betont, indem sie als Projektionsfläche dient, andererseits dematerialisiert die Projektion die Wand und lässt den Raum grösser erscheinen.
Das Licht als Thema und künstlerisches Medium spielt auch in den zweidimensionalen Arbeiten die zentrale Rolle. Durch den innovativen Einsatz technischer Hilfsmittel wie Scanner und Digitalkamera wird es zum Mittel, die Tradition der Malerei zu befragen, zu erweitern und zu aktualisieren.
So gelingt es André Bless in der Werkgruppe Taxi mit der Digitalkamera das Flüchtige und Ungreifbare des Lichts treffend zu transportieren und eine aktuelle Formulierung zu finden für die schwer fassbaren Erscheinungsformen des Lichts, mit denen sich schon die Impressionisten befassten. Die festgehaltenen Lichter sind Scheinwerfer und Rücklichter von Autos bei Nacht, sowie Reflexionen dieser Lichter auf der nassen Strasse, die André Bless mit der Digitalkamera aus dem fahrenden Auto aufnahm. Zu sehen sind nur die Lichter, welche durch eine technische Manipulation der Kamera dunkelrot erscheinen. André Bless druckt diese Aufnahmen auf Aquarellpapier aus. Auf dem weichen Papier zerfliesst die Tinte und die Lichtflecken erhalten eine Unschärfe, die malerische Qualitäten aufweist.
Ebenfalls Resultat der technischen Experimentierfreudigkeit von André Bless sind die Streifenbilder mit dem Titel Flashlines. Die Ausnutzung der Möglichkeiten eines Flachbettscanners ermöglicht es André Bless mit Licht direkt zu malen. Anstatt ein vorher existentes Bild, das sich auf einem Bildträger wie beispielsweise Papier befindet, vom Scanner einlesen zu lassen, nimmt der Scanner das Licht einer Taschenlampe auf, welche parallel zum abtastenden Licht der Scannerlampe über die Glasscheibe des Geräts geführt wird. Der Scanner übersetzt diese Informationen in ein Bild, das nur als digitale Einlesung im Computer existiert. Das Bild entsteht also nicht durch den Auftrag von Farbe auf Leinwand oder Papier, sondern durch das Aufeinandertreffen von Licht und Licht. Das Resultat sind farbige Streifenbilder von grosser Intensität und Dynamik, welche an die geometrischen Werke der Minimal Art der 60er Jahre erinnern, von denen sie sich gleichzeitig durch die Art ihrer Entstehung distanzieren.
Zum Schluss möchte ich mich ganz herzlich bedanken bei
- André Bless für seine Ausstellung, sein grosses Engagement
- Markus Stegmann, Gwyneth Hughes
-Kat harina Bürgin und Christian Wäckerlin für die angenehme und unkomplizierte Zusammenarbeit
- Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen in der Ausstellung und beim Apéro, der im Erdgeschoss für Sie bereit steht.
Claudine Metzger